Scope Creep: Webdesign-Kunde will ständig mehr Leistungen? So ziehst du klare Grenzen (ohne Drama)
Du kennst diese Art von E-Mail bestimmt:
„Hey, könntest du da noch ganz kurz das Logo etwas größer machen? Und vielleicht bei der Gelegenheit das Bild auf Seite 3 austauschen - ach, und auf der Über-uns-Seite wären ein paar neue Fotos toll. Müsste ja ganz schnell gehen…“
Klingt harmlos.
Ist es aber nicht.
Denn hinter dem harmlosen "nur mal kurz" steckt oft ein ernstes Problem: Scope Creep - also ein Projekt, das sich schleichend und ungefragt immer weiter ausdehnt. Und wenn du nicht aufpasst, arbeitest du 10 Stunden extra, obwohl du nur 3 eingeplant hattest.
In einem unserer letzten Webdesigner Wunderland Gruppencalls (das ist mein Gruppenprogramm mit Kurs und Community, kannst du hier angucken!) war genau das ein zentrales Thema. Und fast jeder im Raum konnte eine Story erzählen.
Es ist also höchste Zeit, dass wir drüber reden.
Und zwar:
Warum es so schwer ist, Nein zu sagen
Wie du konkret reagierst - freundlich, aber bestimmt
Was du vertraglich und systemisch verändern kannst
Und wie du Kundenbekommst, die deine Zeit (und Energie) wirklich respektieren
Los geht’s.
Inhaltsverzeichnis:
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„Kannst du da noch schnell…?“ - der Beginn vom Ende
Klar, wir wollen helfen. Klar, wir wollen es „richtig“ machen. Und ja - gerade am Anfang sagen viele Designer fast alles zu.
Denn: Du bist jung (oder auch nicht) und brauchst das Geld!
Es ist menschlich. Aber es ist auch gefährlich.
Beispiel: Jemand reicht schlechte Fotos ein und du bist acht Stunden in Bild-Datenbanken unterwegs, weil du ordentliche Stockfotos als Alternative suchen musst.
Oder: Jemand reicht schlechte Fotos ein und du sitzt Stunden daran, die (gratis) zu bearbeiten, sodass sie halbwegs gut aussehen.
Der Kunde merkt das - und statt sich zu bedanken, kommen dann auch noch Sonderwünsche! Oha.
Du bist keine gratis Fotoredaktion.
Du bist auch kein gratis Copywriter.
(Außer, wenn du beides eingepreist hast. Finde ich sogar sehr smart, das zu machen. Machen wir in meiner Agentur auch, ist super, um die Angebote für den Kunden cooler zu machen.)
Du bist Webdesigner!
Aber das zu kommunizieren fällt vielen schwer. Warum eigentlich?
Warum viele zu viel machen - und was es mit dir zu tun hat
Der Grund, warum wir so oft mehr tun als wir sollten, liegt selten an den Kunden.
Er liegt in uns selbst:
Wir wollen gefallen.
Wir haben Angst, dass Nein sagen unhöflich wirkt.
Wir glauben, dass „gute Dienstleistung“ bedeutet, sich selbst aufzugeben.
Im Webdesigner Wunderland höre ich regelmäßig Sätze wie diesen;
„Ich wollte es eigentlich gar nicht machen. Aber das Projekt war gut bezahlt…“
Ein anderer Fall:
„Ich habe es gemacht, um die Sache abzuschließen - und jetzt kommen neue Wünsche.“
Wenn du nicht frühzeitig die Grenze ziehst, wirst du von Kulanz zur Selbstverständlichkeit.
Und das ist nicht fair - weder dir gegenüber, noch dem Kunden.
Was ist Scope Creep eigentlich?
Das Wort “Scope Creep” (komme natürlich aus dem Englischen und wird sehr oft bei Dienstleistungen wie Webdesign verwendet) bedeutet, dass ein Projekt langsam aber sicher über den ursprünglich vereinbarten Rahmen hinauswächst - ohne dass der Kunde dafür mehr zahlt.
Beispiele:
Nach dem Launch sollen noch neue Seiten eingefügt werden
Der Kunde „findet noch neue Texte“, die eingebaut werden müssen
Aus 2 Korrekturschleifen werden 5 (oder 20!)
Designänderungen, Bildbearbeitung, neue Icons, alternative Layouts - alles „mal kurz“
Und das Gemeine:
Es kommt nie alles auf einmal - sondern in kleinen Dosen.
Die entscheidende Erkenntnis: Kulanz wird selten gewürdigt
Wenn du denkst, der Kunde merkt schon, dass du viel extra gemacht hast - dann muss ich dich an dieser Stelle leider enttäuschen.
Wenn du 3 Stunden extra arbeitest, sagt niemand Danke.
Wenn du dann bei der 4. Anfrage Nein sagst, wirkt es plötzlich unfreundlich.
Warum?
Weil du nie gesagt hast, dass die ersten 3 Änderungen “extra” waren.
Wenn du nicht klar benennst, dass etwas eine Ausnahme ist, wird es automatisch zur Regel.
Das ist wirklich wichtig zu wissen - und für jeden People Pleaser unter uns wirklich schwer zu verdauen.
Wie du freundlich, aber bestimmt Nein sagst
Okay, du hast das Muster erkannt. (Vielleicht zweifelnd, aber ich glaube, insgeheim weißt du, dass ich Recht habe - denn es läuft immer so. Zumindest bei allen, die ich kenne.)
Jetzt willst du es durchbrechen.
Hier sind ein paar Formulierungen, die du direkt so übernehmen kannst - situationsabhängig:
#1 Du möchtest etwas aus Kulanz noch machen, aber klar Grenzen setzen:
„Ich mache das diesmal gerne noch für dich, damit wir gut vorankommen. Bitte hab aber Verständnis, dass zusätzliche Änderungen über den vereinbarten Umfang hinaus in Zukunft separat berechnet werden.“
#2 Du möchtest klar ablehnen, aber höflich bleiben:
„Das liegt leider außerhalb unseres vereinbarten Projektumfangs. Wenn du möchtest, kann ich dir ein Angebot dafür machen oder wir packen es in ein Folgepaket.“
#3 Du möchtest den Wunsch auf später verschieben:
„Das ist eine tolle Idee! Lass uns das gerne nach dem Livegang in einem Mini-Projekt umsetzen, damit wir jetzt sauber zum Launch kommen.“
Pro-Tipp:
Benutze nie Sätze wie „Ach klar, mach ich eben noch“ - sondern kennzeichne Extra-Arbeit immer bewusst. Und zwar im Voraus.
Du solltest auch unbedingt einen Webdesign-Vertrag haben, der eine Formulierung hat, dass du zusätzliche Sachen vorher angeben musst, aber dann bei “Okay” die Mehrarbeit berechnen kannst.
Wenn du eine Verlagsvorlage brauchst, guck mal hier.
Sag’s VORHER: Die Kunst, Erwartungen frühzeitig zu managen
Grenzen setzen ist nicht nur eine Reaktion - sondern vor allem eine Prävention.
Wenn du frühzeitig klar machst, was enthalten ist - und was nicht, kommt es viel seltener zu unangenehmen Situationen.
Das heißt, du solltest VON ANFANG AN nicht denken: “Mache ich noch eben”, sondern sofort sagen, dass das außerhalb des Rahmens ist.
Ich selbst frage bestimmte Dinge sogar inzwischen schon im Kennenlerngespräch ab und sage genau, was enthalten wäre und was teurer wird. (Custom Code zum Beispiel, denn das können nicht alle unsere Teammitglieder in meiner Agentur.)
Dinge, die du direkt in deinen Projektstart (zum Beispiel in deiner Onboarding-Mail oder Welcome Guide) aufnehmen kannst:
Was ist enthalten (z. B. 5 Unterseiten, 2 Korrekturschleifen)
Was ist nicht enthalten (z. B. Bildbearbeitung, Logoerstellung, SEO)
Wie lange ist die Projektlaufzeit
Was passiert, wenn Kunden Inhalte zu spät liefern
Empfehlung: Setz ein Enddatum für das Projekt. „Launch erfolgt spätestens zum 15. Oktober, sofern alle Inhalte bis zum 1. Oktober vorliegen.“
Und dann ganz klar: Was passiert im Fall, wenn die Sachen NICHT am 1. Oktober vorliegen?
Und: Du solltest in deinen Prozessen dann auch zwei Wochen vor dem 1. Oktober und 1 Woche davor Erinnerungen an den Kunden schicken. Und auf die Konsequenzen hinweisen.
Warum? Weil ein offenes Projekt immer zu Nachforderungen führt.
Tools, die dir helfen, professioneller zu kommunizieren
Im Webdesigner Wunderland geht es ständig um Tools, die helfen, solche Mehrarbeit sichtbar zu machen - und zu strukturieren.
Meine Empfehlungen:
Asana: Projektstruktur, Aufgaben, Fristen (auch für den Kunden sichtbar)
Dropbox/Google Drive: Alle Dateien an EINEM Ort. Keine Bilder per WhatsApp mehr! Und schon gar nicht per Mail.
EverSign oder XodoSign: Verträge digital unterschreiben lassen - inkl. Revisionsregelung
Standardisierte Mails & Feedback-Formulare: Kein „Ach, kannst du bitte noch...“ über Textnachricht. Beziehungsweise mag ich Email gar nicht über den Projektabschluss hinaus.
Der Effekt?
Du trittst automatisch professioneller auf.
Und professionelle Dienstleister werden seltener über den Tisch gezogen.
Was, wenn sich der Kunde trotzdem nicht an Absprachen hält?
Sagen wir, du hast alles richtig gemacht. Klarer Vertrag. Klarer Ablauf. Netter Ton. Aber der Kunde übertritt trotzdem die Grenzen.
„Noch kurz was“ hier, „mir ist da noch was eingefallen“ dort… Tja, dann musst du dich wehren.
Dann brauchst du eine klare Eskalationsstufe.
Vorschlag für eine Email
—
Betreff: Weiteres Vorgehen zum Projekt XY
Hallo [Name],
damit wir das Projekt sauber abschließen können, fasse ich kurz zusammen, was wir bereits umgesetzt haben:
✅ Startseite, Über uns, Leistungen, Kontakt
✅ Zwei Feedbackrunden (die zweite ist gerade abgeschlossen) wie im Vertrag festgelegt
Ich freue mich, dass dir die Seite gefällt!
Für alle weiteren Änderungswünsche (wie z. B. neue Bilder, zusätzliche Unterseiten oder Layoutanpassungen) kann ich dir gerne ein Folgepaket oder Mini-Angebot anbieten.
Lass mich wissen, was du brauchst - dann mache ich dir gern ein Angebot!
Liebe Grüße
[Dein Name]
—
(Du kannst das natürlich mit ChatGPT an deinen eigenen Schreibstil anpassen. Es sollte unbedingt so klingen, wie du sonst auch schreibst.)
So bleibst du freundlich, aber klar in der Führung.
Artikeltipp: Was tun, wenn Kunden komplett unzufrieden sind und “eskalieren”?
Übrigens: Du darfst Projekte auch beenden
Ja, manchmal ist es so verfahren, dass ein Projekt nur noch Energie zieht.
Und wenn du merkst, dass du…
nur noch Bauchschmerzen hast,
jede Mail aufschiebst,
oder dich gezwungen fühlst, Dinge zu tun, die du nicht machen willst -
… dann darfst du auch sagen:
„Ich glaube, wir passen als Projektpartner nicht zusammen. Ich würde dir vorschlagen, das Projekt an dieser Stelle zu beenden.“
Du darfst dich lösen.
Und das kann (je nach Vertrag) mit oder ohne Rückerstattung laufen. Kannst du hier im Detail nachlesen.
Wichtig: Das schützt nicht nur deine Zeit - sondern auch deinen Selbstwert.
Wie du solche Kunden in Zukunft gar nicht mehr anziehst
„Aber wie verhindere ich solche Anfragen in Zukunft?“
Auch dazu haben wir im letzten Webdesigner Wunderland Call gesprochen. Und die Antwort ist einfach - aber nicht unbedingt leicht:
Du musst zeigen, was du willst - und was nicht.
Konkrete Schritte:
Kuriere dein Portfolio: Zeig nur die Projekte, von denen du mehr willst. Keine Brot-und-Butter-Aufträge* online stellen.
Positioniere dich klar auf deiner Website: „2 Korrekturrunden inklusive. Danach nach Stunden- oder Paketpreis.“
Schreib’s in deine Angebotsunterlagen, in den Vertrag, in dein Onboarding.
Sprich es an. Immer.
Kunden wollen Klarheit.
Wenn du sie gibst, wirkt das nicht abschreckend - sondern wertvoll.
*Was “Bread-and-Butter-Projekte” sind? Zeige ich dir hier in diesem Video:
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Fazit: Du darfst freundlich sein - aber du musst nicht alles machen
Grenzen zu setzen ist kein Ego-Trip. Fühlt sich zwar erstmal nicht so gut an, aber ist eine der wichtigsten Fähigkeiten in deinem Design-Business, damit du nicht verrückt wirst und den Laden irgendwann frustriert wieder zumachst.
Es ist die Grundlage für ein langfristig tragfähiges Business.
Denn: Wenn du jeden Extra-Wunsch erfüllst,
ohne ihn zu benennen,
ohne ihn zu berechnen,
ohne Rücksicht auf deine eigene Kapazität,
…dann schadest du dir selbst. Und auf Dauer: deinem Business. Denn als Dienstleister BIST du ja (zumindest jetzt noch) dein Business.
Lerne früh Nein zu sagen - damit du langfristig Ja sagen kannst. Jedes Nein zu nicht passenden Kunden gibt dir Zeit und Energie, dann kannst du ja sagen zu guten Projekten, zu fairen Kunden. Und zu deiner eigenen Energie.
Wenn du eigene Erfahrungen hast, schreib sie in die Kommentare. 👋
Du willst eine coole Designer-Crew, in der du über solche Probleme reden kannst?
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